Undtot - Kapitel 11: Kurze Rast


Robert lenkte den Wagen an den Straßenrand. Über Vivians Fragen hatte er noch gar nicht nachgedacht. Wo sollten sie hin, wenn es vielleicht überall so passiert war? Und was war überhaupt passiert?
Wir müssen hier weg. Vielleicht kommt das durch die Luft oder das Wasser am Meer. Vielleicht in die Berge?“
Vivian, wenn das Was-Auch-Immer über die Luft übertragen werden würde wären wir auch schon befallen.“
Und was ist mit Wasser? Wenn es das Meer ist, dann sind wir im Landesinneren besser geschützt!“
Das Meer war 150 Meilen entfernt. Es muss irgend etwas anderes sein.“

Verdammt, ich brauch einen Kaffee. Ohne kann ich einfach nicht klar denken.“, schmollte Vivian.
Ich hätte da eine Idee, aber es ist ein langer Weg.“ Mike kramte im Handschuhfach nach einer Karte, fand aber zu seinem Glück ein Navigationsgerät. „Mein Onkel hat eine Hütte in der Nähe von Mammoth Mountain, weit ab von allem. Er hat immer genug Vorräte da. Hat das Ding vor ein paar Jahren von einem Spinner gekauft, der es sich für den Fall eines erneuten Weltkrieges gebaut hatte.“ Er tippte einen Ort in das Navi ein und befestigte es dann an der Windschutzscheibe.
Robert las ungläubig die gesamten Kilometer und die Fahrtzeit - mehr als 300 Meilen in über fünfeinhalb Stunden. Er war sich nicht einmal sicher ob ihr Sprit bis dorthin reichen würde.
Es ist wirklich ein langer Weg. Noch jemand eine Idee? Ansonsten bleibt uns nichts anderes übrig, denn ich kenne mich hier mal so gar nicht aus.“
Hm.“, kam es nur von hinten.
Okay, dann auf nach Mammoth Mountain.“

Die Berge links ständig im Blick führte sie der Weg nach einer Stunde ohne Probleme bis kurz vor Bakersfield, es waren so gut wie keine Menschen unterwegs und sie fuhren ein wenig schneller als das Tempolimit hergab. Bis auf vereinzelte Autos die mit Licht und Hupe an ihnen vorbeirauschten gab es nichts was nicht wie an einem normalen Abend auch zu sehen war.
In der Stadt bremste Robert den Wagen auf Schrittgeschwindigkeit. „Seht ihr das auch?“ Fackelschein beleuchtete eine Reihe von Autos die quer auf der Straße geparkt waren. Mitten auf der Highwaybrücke über Bakersfield. Jemand schlich zwischen ihnen durch, ob es Menschen waren konnte man auf diese Entfernung nicht feststellen.
Wir haben keine Wahl. Wir sollten nicht versuchen uns einen Weg direkt durch die Stadt zu bahnen. Der Highway ist das Sicherste zur Zeit.“ Robert sondierte die Lage.
Ich traue dem Braten nicht.“, warf Vivian ein und blickte sich hektisch um.
Lasst uns trotzdem näher ran fahren. Vielleicht kommen wir da irgendwie vorbei.“, entschied Robert spontan und lies den Wagen wieder anrollen. Fünfzig Meter von der Auto-Barriere entfernt hielten sie an. Die Menschen waren verschwunden, die Fackeln steckten oder lagen auf den Dächern der geparkten Autos.
Wo sind sie hin?“, Vivian drehte sich im Auto in alle Richtungen, fand aber niemanden. „Sie können doch nicht einfach weg sein.“
Mike, klemm dich hinters Steuer. Ich werde versuchen einen der Wagen weg zu fahren.“
Robert, spinnst du? Du willst doch da jetzt nicht raus gehen, oder?“ Sie packte ihm auf die Schulter und wollte ihn festhalten, aber er drehte sich unter ihrem Griff weg und schnappte sich seinen Baseballschläger. Er strich über den Schriftzug, den sie ihm darauf notiert hatte und grinste sie an. „Keine Angst, ich muss ja nicht werfen.“ Er zwinkerte ihr zu und sie lächelte zurück. Flirtete er gerade mit mir – ging ihr durch den Kopf.
Geduckt lief er los und Mike hechtete ums Auto herum auf seinen Platz. „Ich hoffe er weiß was er tut!“
Das hoffe ich auch!“ Ben bekam von allem nichts mit, da er schon wieder eingeschlafen war.

Die ersten zwei Autos ließ Robert direkt hinter sich, da die Schlüssel nicht steckten. Hinterm Steuer des dritten blieb er auch nicht lang, denn vom Motor kam nur ein schwaches Ächzen. Er rätselte kurzzeitig wie sie es geschafft hatten die Autos hierher zu bringen. Im Vierten hatte er zumindest so viel Glück das er ansprang, jedoch war er so verkeilt, dass er weder vor noch zurück konnte.
Schieb das Heck rum!“
WAS?“ Mike musste sich aus dem Fenster lehnen um auch nur ein bisschen was zu verstehen.
Du sollst mit dem Wagen den hier drehen.“ Schrie Robert ihnen zu und machte mit den Händen dazu Zeichen. Der Fiat kam angerollt und touchierte den alten Dodge am hinteren Kotflügel. Langsam und mit laut aufheulendem Motor setzten sich beide Fahrzeuge in Bewegung. Robert trat das Gaspedal ebenfalls voll durch und hoffte so schnell vorwärts zu kommen, wenn er erst einmal frei war. Der Dodge rumpelte und das ständige auf und ab von Robert ließ den ganzen Wagen federn. Endlich riss die Stoßstange ab und der Wagen sprintete nach vorn. Die Gestalten von vorher, bewaffnet mit allerlei Gerümpel hatten sich einen anderen Weg gesucht und tauchten hinter der Gruppe auf. Sie schlugen mit Latten und Stangen auf den Fiat ein, was Mike dazu veranlasste durch die entstandene Lücke zwischen den Autos zu rasen. Robert hatte den Dodge zwar aus der Lücke bekommen, hatte jedoch keinen Platz um zu wenden. Er sah den Mob schnell näher kommen und schnappte sich seinen Schläger. Dem ersten Mann schlug er in den Bauch, dem zweiten auf den gestreckten Arm. Bevor Robert sich dem nächsten zuwenden konnte, hörte er von weit hinten Frauen aufschreien. Es waren markerschütternde Schreie. Schreie von Schmerz und Angst. Und dann sah er sie. Die Untoten drangen von noch weiter hinten in die Menschengruppe. Scheinbar hatte ihr Autolärm sie aufgeschreckt und sie aus allen Winkeln der Stadt hier her gelockt. Robert fühlte sich so einer Übermacht nicht gewachsen und sprang über die Motorhaube zurück zur Barriere.

Die Rücklichter des Fiat erhellten die Nacht und waren für Robert wie ein Leuchtturm in stürmischer See während er sich durch die Untoten prügelte. Es waren nicht viele und sie sprachen sich glücklicherweise nicht ab, so konnte Robert immer einen nach dem anderen zur Strecke bringen.
Die Fahrertür wurde aufgestoßen. Robert konnte sehen wie sich Mike auf den Beifahrersitz rüber schob. Den Untoten unter dem Fenster hatten sie nicht sehen können, doch er kroch unaufhörlich auf die offene Tür zu. Vivian sah die blutige Hand, die sich am Sitz empor zog, zuerst. Gerade als es seinen Kopf ins Auto stecken wollte sauste ein Stück Holz von oben herab und verteilte Knochensplitter und Blut im ganzen Fahrzeug. Robert schwang sich auf den Fahrersitz, legte den ersten Gang ein und gab Gas. Die offene Tür ließ er noch einmal weit aufschwingen und holte damit einen weiteren Untoten von den Beinen.

Viele Meilen später hatten sich Roberts Gedanken wieder beruhigt und er fuhr an den Straßenrand. Der Morgen war angebrochen und der Sprit neigte sich dem Ende. In der Nacht hatte er einige Flüchtende gesehen, hatte aber einen großen Bogen um sie gemacht. Selbst wenn er hätte helfen wollen so hatten sie keinen Platz mehr im Auto.
Vivian legte ihm die Hand auf die Schulter.
Hey, lass mich weiter fahren. Du zitterst ja immer noch.“
Sie hatte Recht, dachte er. Seine Hände hatten sich total ums Lenkrad verkrampft.
Wir brauchen Sprit und was zu essen.“
Auch Mike war erwacht nachdem er eine Stunde nach Bakersfield erschöpft eingeschlafen war. Ben war am Morgen schon einmal wach gewesen, hatte sich gelangweilt und eine Diskussion mit Vivian angefangen die er nicht gewinnen konnte. Bei der Erwähnung von Essen war er nach seinem kurzen Nickerchen wieder ganz bei der Sache.
Sind wir bald da? Wo fahren wir überhaupt hin?“, nörgelte der kleine Junge. Robert sah auf das Navigationsgerät, es war immer noch ein gutes Stück, denn sie kamen nur langsam voran. Ständig musste er Untoten oder Autos ausweichen.
Dort werden wir rasten.“ Er zeigte ungefähr eine Meile weiter auf einen Rasthof. Mitten im Nirgendwo, kurz vor Big Pine war diese Truckerzuflucht das einzige wo sie ihr Auto auftanken konnten. Doch sie waren mit Sicherheit nicht die ersten die auf die Idee kamen.
Wir müssen vorsichtig sein. Seht ihr die ganzen Trucks und Autos? Sie stehen bis auf den Highway. Irgendwas ist hier faul.“
Zumindest keine Barriere.“, warf Mike ein.
Willst du wirklich dort halten?“ Vivian guckte ihn skeptisch an.
Die Spritanzeige gibt uns noch höchstens 50 Meilen. Wer weiß ob die nächste Möglichkeit nicht schlimmer aussieht?“

Robert ließ den Wagen wieder anrollen und mahnte alle zur Vorsicht. „Sagt bloß Bescheid, wenn ihr etwas seht.“, schärfte er ihnen ein.
In Schrittgeschwindigkeit fuhr er an den geparkten Autos und LKWs vorbei. Kein Lebenszeichen aber auch keine Blutspuren bisher. Die Raststätte war nur in direkter Sichtweite und erst jetzt konnten sie sehen das es hier erst vor kurzem ein Unglück gegeben haben musste. Das gesamte Gebäude war zerstört und verbrannt. Überall lagen verkohlte Leichen. Er vermutete, dass es sich um Untote handeln musste, denn sie waren nicht vom Feuer weg gekrochen.
Es sieht nicht so aus als würden wir hier etwas zu essen bekommen. Aber wir könnten ein wenig Sprit bei einem der Autos abzapfen.“
Da Mike die einzige Pistole hatte, hielt er weitläufig Ausschau während Robert von Auto zu Auto ging und die Tanks kontrollierte. Nach einer halben Stunde kam er entnervt wieder.
Es ist unfassbar aber keines der Autos hat noch Benzin. Jeder Tankdeckel steht offen, als hätte jemand genau dasselbe vor gehabt.“
Vivian schaute ihn ungläubig an. „JEDES Auto?“
Verflucht nochmal jedes.“
Und die LKWs?“, versuchte Ben zu helfen.
Das geht nicht, die tanken Diesel.“
Na, toll. Dann sitzen wir hier fest?“
Mike kam aufgeregt angerannt. „Wir haben ein weiteres Problem. Da nähert sich eine Horde Gewandelter. Ich tippe auf ungefähr 50 Stück und sie sind in wenigen Minuten hier.“
Verdammte Scheiße!“
Sie sahen sich um aber fanden absolut keine Möglichkeit für ein Versteck, zumal das einzige Gebäude völlig unbrauchbar war.
Eilig liefen sie zurück zu ihrem Auto, als sich plötzlich neben ihnen die Tür eines LKW-Containers öffnete und ein Mann heraus schaute. Er blickte, verschlafen wie er war, erst Robert und die Gruppe an, dann an ihnen vorbei zu der Horde. Ohne groß Worte zu verlieren winkte er ihnen zu und lotste sie in den Container hinein. Kaum waren sie alle in dem dunklen Raum schloss er die Tür und auch das letzte Licht erlosch.

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