Robert lenkte den
Wagen an den Straßenrand. Über Vivians Fragen hatte er noch gar
nicht nachgedacht. Wo sollten sie hin, wenn es vielleicht überall so
passiert war? Und was war überhaupt passiert?
„Wir müssen hier
weg. Vielleicht kommt das durch die Luft oder das Wasser am Meer.
Vielleicht in die Berge?“
„Vivian, wenn das
Was-Auch-Immer über die Luft übertragen werden würde wären wir
auch schon befallen.“
„Und was ist mit
Wasser? Wenn es das Meer ist, dann sind wir im Landesinneren besser
geschützt!“
„Das Meer war 150
Meilen entfernt. Es muss irgend etwas anderes sein.“
„Verdammt, ich
brauch einen Kaffee. Ohne kann ich einfach nicht klar denken.“,
schmollte Vivian.
„Ich hätte da
eine Idee, aber es ist ein langer Weg.“ Mike kramte im
Handschuhfach nach einer Karte, fand aber zu seinem Glück ein
Navigationsgerät. „Mein Onkel hat eine Hütte in der Nähe von
Mammoth Mountain, weit ab von allem. Er hat immer genug Vorräte da.
Hat das Ding vor ein paar Jahren von einem Spinner gekauft, der es
sich für den Fall eines erneuten Weltkrieges gebaut hatte.“ Er
tippte einen Ort in das Navi ein und befestigte es dann an der
Windschutzscheibe.
Robert las ungläubig
die gesamten Kilometer und die Fahrtzeit - mehr als 300 Meilen in
über fünfeinhalb Stunden. Er war sich nicht einmal sicher ob ihr
Sprit bis dorthin reichen würde.
„Es ist wirklich
ein langer Weg. Noch jemand eine Idee? Ansonsten bleibt uns nichts
anderes übrig, denn ich kenne mich hier mal so gar nicht aus.“
„Hm.“, kam es
nur von hinten.
„Okay, dann auf
nach Mammoth Mountain.“
Die Berge links
ständig im Blick führte sie der Weg nach einer Stunde ohne Probleme
bis kurz vor Bakersfield, es waren so gut wie keine Menschen
unterwegs und sie fuhren ein wenig schneller als das Tempolimit
hergab. Bis auf vereinzelte Autos die mit Licht und Hupe an ihnen
vorbeirauschten gab es nichts was nicht wie an einem normalen Abend
auch zu sehen war.
In der Stadt bremste
Robert den Wagen auf Schrittgeschwindigkeit. „Seht ihr das auch?“
Fackelschein beleuchtete eine Reihe von Autos die quer auf der Straße
geparkt waren. Mitten auf der Highwaybrücke über Bakersfield.
Jemand schlich zwischen ihnen durch, ob es Menschen waren konnte man
auf diese Entfernung nicht feststellen.
„Wir haben keine
Wahl. Wir sollten nicht versuchen uns einen Weg direkt durch die
Stadt zu bahnen. Der Highway ist das Sicherste zur Zeit.“ Robert
sondierte die Lage.
„Ich traue dem
Braten nicht.“, warf Vivian ein und blickte
sich hektisch um.
„Lasst uns
trotzdem näher ran fahren. Vielleicht kommen wir da irgendwie
vorbei.“, entschied Robert spontan und lies den Wagen wieder
anrollen. Fünfzig Meter von der Auto-Barriere entfernt hielten sie
an. Die Menschen waren verschwunden, die Fackeln steckten oder lagen
auf den Dächern der geparkten Autos.
„Wo sind sie
hin?“, Vivian drehte sich im Auto in alle Richtungen, fand aber
niemanden. „Sie können doch nicht einfach weg sein.“
„Mike, klemm dich
hinters Steuer. Ich werde versuchen einen der Wagen weg zu fahren.“
„Robert, spinnst
du? Du willst doch da jetzt nicht raus gehen, oder?“ Sie packte ihm
auf die Schulter und wollte ihn festhalten, aber er drehte sich unter
ihrem Griff weg und schnappte sich seinen Baseballschläger. Er
strich über den Schriftzug, den sie ihm darauf notiert hatte und
grinste sie an. „Keine Angst, ich muss ja
nicht werfen.“ Er zwinkerte ihr zu und sie lächelte zurück.
Flirtete er gerade mit mir – ging ihr durch den Kopf.
Geduckt lief er los
und Mike hechtete ums Auto herum auf seinen Platz. „Ich hoffe er
weiß was er tut!“
„Das hoffe ich
auch!“ Ben bekam von allem nichts mit, da er schon wieder
eingeschlafen war.
Die ersten zwei
Autos ließ Robert direkt hinter sich, da die Schlüssel nicht
steckten. Hinterm Steuer des dritten blieb er auch nicht lang, denn
vom Motor kam nur ein schwaches Ächzen. Er rätselte kurzzeitig wie
sie es geschafft hatten die Autos hierher zu bringen. Im Vierten
hatte er zumindest so viel Glück das er ansprang, jedoch war er so
verkeilt, dass er weder vor noch zurück konnte.
„Schieb das Heck
rum!“
„WAS?“ Mike
musste sich aus dem Fenster lehnen um auch nur ein bisschen was zu
verstehen.
„Du sollst mit dem
Wagen den hier drehen.“ Schrie Robert ihnen zu und machte mit den
Händen dazu Zeichen. Der Fiat kam angerollt und touchierte den alten
Dodge am hinteren Kotflügel. Langsam und mit laut aufheulendem Motor
setzten sich beide Fahrzeuge in Bewegung. Robert trat das Gaspedal
ebenfalls voll durch und hoffte so schnell vorwärts zu kommen, wenn
er erst einmal frei war. Der Dodge rumpelte und das ständige auf und
ab von Robert ließ den ganzen Wagen federn. Endlich riss die
Stoßstange ab und der Wagen sprintete nach vorn. Die Gestalten von
vorher, bewaffnet mit allerlei Gerümpel hatten sich einen anderen
Weg gesucht und tauchten hinter der Gruppe auf. Sie schlugen mit
Latten und Stangen auf den Fiat ein, was Mike dazu veranlasste durch
die entstandene Lücke zwischen den Autos zu rasen. Robert hatte den
Dodge zwar aus der Lücke bekommen, hatte jedoch keinen Platz um zu
wenden. Er sah den Mob schnell näher kommen und schnappte sich
seinen Schläger. Dem ersten Mann schlug er in den Bauch, dem zweiten
auf den gestreckten Arm. Bevor Robert sich dem nächsten zuwenden
konnte, hörte er von weit hinten Frauen aufschreien. Es waren
markerschütternde Schreie. Schreie von Schmerz und Angst. Und dann
sah er sie. Die Untoten drangen von noch weiter hinten in die
Menschengruppe. Scheinbar hatte ihr Autolärm sie aufgeschreckt und
sie aus allen Winkeln der Stadt hier her gelockt. Robert fühlte sich
so einer Übermacht nicht gewachsen und sprang über die Motorhaube
zurück zur Barriere.
Die Rücklichter des
Fiat erhellten die Nacht und waren für Robert wie ein Leuchtturm in
stürmischer See während er sich durch die Untoten prügelte. Es
waren nicht viele und sie sprachen sich glücklicherweise nicht ab,
so konnte Robert immer einen nach dem anderen zur Strecke bringen.
Die Fahrertür wurde
aufgestoßen. Robert konnte sehen wie sich Mike auf den Beifahrersitz
rüber schob. Den Untoten unter dem Fenster hatten sie nicht sehen
können, doch er kroch unaufhörlich auf die offene Tür zu. Vivian
sah die blutige Hand, die sich am Sitz empor zog, zuerst. Gerade als
es seinen Kopf ins Auto stecken wollte sauste ein Stück Holz von
oben herab und verteilte Knochensplitter und Blut im ganzen Fahrzeug.
Robert schwang sich auf den Fahrersitz, legte den ersten Gang ein und
gab Gas. Die offene Tür ließ er noch einmal weit aufschwingen und
holte damit einen weiteren Untoten von den Beinen.
Viele Meilen später
hatten sich Roberts Gedanken wieder beruhigt und er fuhr an den
Straßenrand. Der Morgen war angebrochen und der Sprit neigte sich
dem Ende. In der Nacht hatte er einige Flüchtende gesehen, hatte
aber einen großen Bogen um sie gemacht. Selbst wenn er hätte helfen
wollen so hatten sie keinen Platz mehr im Auto.
Vivian legte ihm die
Hand auf die Schulter.
„Hey, lass mich
weiter fahren. Du zitterst ja immer noch.“
Sie hatte Recht,
dachte er. Seine Hände hatten sich total ums Lenkrad verkrampft.
„Wir brauchen
Sprit und was zu essen.“
Auch Mike war
erwacht nachdem er eine Stunde nach Bakersfield erschöpft
eingeschlafen war. Ben war am Morgen schon einmal wach gewesen, hatte
sich gelangweilt und eine Diskussion mit Vivian angefangen die er
nicht gewinnen konnte. Bei der Erwähnung von Essen war er nach
seinem kurzen Nickerchen wieder ganz bei der Sache.
„Sind wir bald da?
Wo fahren wir überhaupt hin?“, nörgelte der kleine Junge. Robert
sah auf das Navigationsgerät, es war immer noch ein gutes Stück,
denn sie kamen nur langsam voran. Ständig musste er Untoten oder
Autos ausweichen.
„Dort werden wir
rasten.“ Er zeigte ungefähr eine Meile weiter auf einen Rasthof.
Mitten im Nirgendwo, kurz vor Big Pine war diese Truckerzuflucht das
einzige wo sie ihr Auto auftanken konnten. Doch sie waren mit
Sicherheit nicht die ersten die auf die Idee kamen.
„Wir müssen
vorsichtig sein. Seht ihr die ganzen Trucks und Autos? Sie stehen bis
auf den Highway. Irgendwas ist hier faul.“
„Zumindest keine
Barriere.“, warf Mike ein.
„Willst du
wirklich dort halten?“ Vivian guckte ihn skeptisch an.
„Die Spritanzeige
gibt uns noch höchstens 50 Meilen. Wer weiß ob die nächste
Möglichkeit nicht schlimmer aussieht?“
Robert ließ den
Wagen wieder anrollen und mahnte alle zur Vorsicht. „Sagt bloß
Bescheid, wenn ihr etwas seht.“, schärfte er ihnen ein.
In
Schrittgeschwindigkeit fuhr er an den geparkten Autos und LKWs
vorbei. Kein Lebenszeichen aber auch keine Blutspuren bisher. Die
Raststätte war nur in direkter Sichtweite und erst jetzt konnten sie
sehen das es hier erst vor kurzem ein Unglück gegeben haben musste.
Das gesamte Gebäude war zerstört und verbrannt. Überall lagen
verkohlte Leichen. Er vermutete, dass es sich um Untote handeln
musste, denn sie waren nicht vom Feuer weg gekrochen.
„Es sieht nicht so
aus als würden wir hier etwas zu essen bekommen. Aber wir könnten
ein wenig Sprit bei einem der Autos abzapfen.“
Da Mike die einzige
Pistole hatte, hielt er weitläufig Ausschau während Robert von Auto
zu Auto ging und die Tanks kontrollierte. Nach einer halben Stunde
kam er entnervt wieder.
„Es ist unfassbar
aber keines der Autos hat noch Benzin. Jeder Tankdeckel steht offen,
als hätte jemand genau dasselbe vor gehabt.“
Vivian schaute ihn
ungläubig an. „JEDES Auto?“
„Verflucht nochmal
jedes.“
„Und die LKWs?“,
versuchte Ben zu helfen.
„Das geht nicht,
die tanken Diesel.“
„Na, toll. Dann
sitzen wir hier fest?“
Mike kam aufgeregt
angerannt. „Wir haben ein weiteres Problem. Da nähert sich eine
Horde Gewandelter. Ich tippe auf ungefähr 50 Stück und sie sind in
wenigen Minuten hier.“
„Verdammte
Scheiße!“
Sie sahen sich um
aber fanden absolut keine Möglichkeit für ein Versteck, zumal das
einzige Gebäude völlig unbrauchbar war.
Eilig liefen sie
zurück zu ihrem Auto, als sich plötzlich neben ihnen die Tür eines
LKW-Containers öffnete und ein Mann heraus schaute. Er blickte,
verschlafen wie er war, erst Robert und
die Gruppe an, dann an ihnen vorbei zu der Horde. Ohne groß Worte zu
verlieren winkte er ihnen zu und lotste sie in den Container hinein.
Kaum waren sie alle in dem dunklen Raum schloss er die Tür und auch
das letzte Licht erlosch.
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