Die
200 Meter Weg zum Krankenhaus waren ein leichtes, denn bis auf einen
einzigen Untoten war hier nicht viel zu erledigen und Robert fragte
sich woran das lag. Im Gebäude huschten sie in der Notaufnahme
direkt ins Treppenhaus und verriegelten die Tür, weil am Ende des
Flurs eine Gruppe von mindestens 20 dieser Dinger lauerten, im
Treppenhaus selbst war es dagegen ruhig.
Die Tür zum Büro
dann, stellte nur ein kleines Hindernis dar nachdem die Untoten davor
beseitigt waren. Da sie sich alle auf die Tür
konzentriert hatten, war es Robert und Vivian leicht gefallen einen
nach dem anderen per Schlag auf oder in den Kopf aus zuschalten.
Als sie die Tür jedoch aufbrachen um die Quelle der lauten Musik zu
suchen löste sich ein Schuss. Robert und Vivian sprangen sofort
wieder hinter die Wand, als sie Schreie von drinnen hörten.
„Kommt her, ihr
Schweine!“
Vorsichtig spähte
Robert hinein und sah jemanden mit einer Waffe auf ihn zielen,
daneben saß ein Kind das am Ohr blutete. Langsam schob sich der Mann
in der Wachmannuniform vor den Jungen. Robert
schätze ihn auf Mitte 40 und schon aus seinen besten Tagen raus.
„Nicht schießen.
Wir wollen Ihnen nichts tun.“, rief Robert gegen den Krach aus der
Stereoanlage. Vivian schob sich an Robert vorbei, als sie den
weinenden Jungen sah. Der Wachmann ließ sie ohne etwas zu sagen
vorbei. Sie presste ein Handtuch vom Waschbecken an das Ohr und
tupfte das Blut ab. Es war nur ein Streifschuss gewesen und würde
bald wieder verheilt sein, der Junge weinte
trotzdem bitterlich. Der Wachmann drückte auf den Aus-Knopf
der Anlage und starrte Robert an, dann schweifte sein Blick zur Tür,
vor dem die vielen Leichen lagen. Robert war von oben bis unten
voller Blut, welches nicht sein eigenes zu sein schien, wischte sich
seine Hände grob an der Hose ab und streckte dann die Rechte dem
Wachmann entgegen.
„Hallo, ich bin
Robert. Das ist Vivian.“
„Mike, ich
bin...“, er zögerte einen Moment, als müsste er seine Gedanken
erst sortieren. „Ich war hier der Wachmann. Und der kleine heißt
Ben.“ Sein Blick wanderte zum Monitor auf dem die
Überwachungsaufnahmen flimmerten. Gerade näherte sich eine weitere
Gruppe dem Eingang der Notaufnahme.
„Hey, ihr
Turteltauben. Wenn ihr dann fertig seid mit beschnuppern könnte ich
hier eure Hilfe gebrauchen.“ Sie zeigte auf ihren Rucksack und kurz
danach warf ihr Robert auch schon das Erste-Hilfe-Set zu. Es reichte
ein mittelgroßes Pflaster und Desinfektionsspray um die Wunde zu
versorgen, denn der Schuss hatte sein Ohr nur minimal gestreift.
Robert packte den
Wachmann an den Schultern und schüttelte ihn durch. „Wir müssen
hier weg. Haben sie ein Auto?“
„Ich nicht, aber
der Typ der in meiner Schicht arbeitet hat einen relativ neuen SUV.
Der Schlüssel müsste in seiner Tasche sein.“
„Und der Typ ist
wo?“, schaltete sich Vivian ein.
„Ich habe immer
noch Hunger.“, protestierte Ben, der sich
blitzschnell von dem Schuss erholt hatte, weil man ihn
ignorierte. Robert warf ihm einen Schokoriegel zu, drehte ihm eine
Flasche Cola auf und war froh, dass zumindest der Junge einen
gesunden Appetit hatte.
„Als ich ihn das
letzte Mal über Funk hörte, waren sie gerade auf dem Weg in den
Keller. Dort sind Schutzräume, aber sie hätten sich von dort
gemeldet, wenn sie angekommen wären.“ Mike setzte sich vor den
Monitor klickte sich durch die Bilder der Überwachungskamera. Bild
für Bild arbeitete er sich voran.
„Ich weiß nicht
genau, aber auf dem Bild hier sieht man seinen Schuh.“
„Einen Schuh?,
platzte Vivian heraus und stand plötzlich dicht hinter ihm.
„Ja, einen Schuh.
Thomson liebt diese Schuhe und poliert sie jeden verfluchten Tag. Wir
ziehen ihn seit Jahren damit auf und deswegen erkenne ich sie. Ganz
sicher muss er dort in der Nähe sein.“
Ohne Munition war
Mikes Waffe nutzlos, daher steckte er sie in sein Holster und nahm
dankend Roberts Beil.
„Ok, wir sollten
so leise wie möglich aber auch so schnell wie es geht hier raus.
Sonst sind wir bald genauso Futter wie alle anderen!“ Mike war
endlich wieder zu Besinnung gekommen und übernahm die Führung.
Vivian und Robert konnte es nur Recht sein, denn er kannte sich als
Einziger hier aus.
„Eines noch Mike.
Ich weiß nicht ob sie es schon wussten, aber nur das Zerstören des
Gehirns bringt diese Untoten um.“
„Ich werde es mir
merken.“
Mit dem Beil in der
Hand ging Mike voraus ins Treppenhaus, dicht gefolgt von Vivian und
Ben. Robert bildete mit seinem Schläger die Nachhut. Das Treppenhaus
war bis auf diverse Blutspuren komplett verlassen, nicht einmal
Geräusche waren zu hören. Stockwerk für Stockwerk liefen sie hinab
und kamen schließlich im zweiten Untergeschoss an. Schon beim Öffnen
der Tür stolperte Mike direkt über Thomsons Schuh, doch von den
Wachmännern war weit und breit nichts zu sehen.
„Ich verstehe das
nicht, sie müssen hier irgendwo sein.“ Mike drehte den Schuh in
seinen Händen, als könnte dieser ihm irgendwelche Informationen
liefern.
„Psst, seid mal
leise. Hört ihr das?“, Robert näherte sich einer Tür auf der
'Heizungsanlage – Zutritt für Unbefugte verboten' stand. Das
Kratzen dahinter wurde immer lauter.
„Es müssen mehr
als zwei sein.“
Mike hob das Beil,
Robert den Schläger und Vivian machte sich daran die Tür zu öffnen.
Ben stand etwas abseits. Fingernägel schliffen sich von innen an der
Metalltür blank als Vivian ganz langsam die Klinke runter drückte.
Doch die Tür blieb zu.
„Sie ist
verschlossen.“
Das Beil an die Tür
gelehnt holte Mike sein Schlüsselbund aus der Tasche und suchte nach
dem passenden Schlüssel als
Ben wie am Spieß
schrie. Den Schläger über den Kopf schwingend schaffte es Robert
noch so gerade den Kopf von einem der Untoten zu zerschmettern, bevor
sich seine Zähne in Bens Arm gruben. Von allen Seiten schlurften
sie, angelockt durch Bens Schreie, heran. Vivian zerteilte einem den
Kopf, blieb dann aber mit ihrem Beil stecken. Sie trat ihrem Opfer in
den Bauch und zog es blutverschmiert hervor, war sich aber plötzlich
bewusst, wie gefährlich ihre Waffe für sie selbst war. Denn die
Reichweite betrug weniger als einen Meter. Gegen eine Gruppe wie
jetzt war sie eindeutig im Nachteil. Deswegen war sie mehr als
dankbar, dass Robert und Mike ihr beistanden, auch wenn sie es
niemals zugegeben hätte.
Sein Beil schwingend
verschaffte Mike ihnen ein paar Sekunden in denen sie sich neu
formieren konnten. Doch schon nahte die nächste Welle. Wo auch immer
sie herkamen, dort hatte es einen wilden Kampf gegeben, denn allen
fehlten Gliedmaßen. Nach fünf weiteren gebrochenen Schädeln war
endlich Schluss, zumindest mit Gegnern auf Augenhöhe. Auch der
letzte, ein Wachmann dessen Beine abgefressen waren und der deswegen
kriechend auf sie zukam, musste sich dem Aluminium von Roberts
Schläger geschlagen geben.
„Okay, nun wissen
wir zumindest warum er keine Schuhe mehr trägt.“ Mike ignorierte
Vivians Bemerkung und zog den Autoschlüssel aus der Hosentasche des
Toten. Er hob außerdem Ersatzpatronen für seinen Revolver auf. Den
Heizungskeller aus dem noch immer ein Kratzen an ihre Ohren drang
ließen sie links liegen.
„Nun aber nichts
wie weg hier.“ Wieder lief der Wachmann voran, die Treppen hoch in
das erste Untergeschoss. Die Parkgarage lag am anderen Ende des
Gebäudes, erklärte ihnen Mike und der einzige Weg lag vor ihnen.
„Psst.“ Robert
presste dem kleinen Ben die Hand auf den Mund, als dieser gerade
etwas fragen wollte.
„Seht ihr das?“
Mike und Vivian
erschraken, als sie sahen was Robert und Ben fassungslos zum Stehen
gebracht hatte. Der Gang war gut drei Meter breit mit Abzweigungen in
große Lagerräume zu beiden Seiten. In der Mitte jedoch, wo sie auf
jeden Fall durch mussten, standen um die 20 Untote und drängten sich
um eine Gitterbox, deren Inhalt man nicht sehen konnte. Wütend
versuchten sie die Arme durch die winzig kleinen Lücken zu schieben.
„Wir müssen sie
ablenken. Das ist der einzige Weg dadurch. Auf der anderen Seite des
Gebäudes gibt es zwar auch eine Treppe nach unten, aber auf den
Überwachungsbildern waren dort noch mehr als hier.“
„Und wenn wir von
außen in die Parkgarage laufen?“, hakte Robert nach.
„Von außen gibt
es keine Möglichkeit das Tor zu öffnen. Das geht nur über den
Sensor von innen, oder einen Knopf im Dienstzimmer, aber dahin wollen
sie bestimmt nicht.“
„Dann müssen wir
die Dinger ablenken! Jemand einen Plan?“
„Alles, nur kein
Feuer.“ Stichelte Vivian von der Seite. „Ach ja, und Steine
werfen ist auch nicht so sein Ding.“, bemerkte sie zusätzlich in
Mikes Richtung und rieb sich die Beule an ihrer Stirn. Mike
blickte sie fragend an und Robert schaute sich um, an was sie
schnell heran kommen konnten. Eine elektrische Hubameise, mehrere
Gitterboxen mit Klinikzubehör, Wäsche ohne Ende und Betten. Zeit
etwas gut Funktionierendes zu bauen, wie McGyver dies in seiner Serie
stets tat, hatten sie eigentlich nicht, aber ein Versuch war es wert.
„Mike, versuch in
den Boxen ein paar Verbände zu finden
und dann treffen wir uns bei der Hubameise. Vivian, bleib mit Ben
hier, bis wir euch rufen.“ Vivian spürte den Drang nachzufragen
was er vor hatte, entschied sich aber dagegen. Er hatte ihr schon
einmal das Leben gerettet, er würde auch diesmal eine Lösung
finden.
Die
Verbände in der Hand schlich sich Mike von hinten zu der
Ameise. „Was hast du vor?“
„Keine Zeit zu
erklären, versuch einfach den Gashebel festzubinden, ich kümmere
mich um den Rest.“, flüsterte er und kramte leise in einer der
Boxen. Mit einer Packung Holzspatel kam er wieder und steckte sie
einzeln zwischen dem Rahmen und einem großen roten Knopf am Griff
der Lenksäule, welchen er komplett rein
gedrückt hatte. Zum Schluss banden sie die Lenksäule nach
unten und versuchten sie gerade auszurichten. Nun sollte sich zeigen,
ob der Plan etwas taugte. Robert drehte den Schlüssel um und wurde
von den Beinen gerissen. Sofort rauschte das Gefährt in Richtung der
Gruppe im Gang, die Holzspatel sorgten dafür, dass die Hupe
dauerhaft gedrückt wurde und somit ohrenbetäubend laut durch den
Flur hallte. Die Lenksäule war nicht exakt gerade ausgerichtet
gewesen, aber selbst dies erwies sich als Vorteil, weil das Gefährt
sich langsam an der Wand entlang schob und dann mit einem Krachen in
den nächsten Raum fuhr. Die Gruppe reagierte nur langsam auf das
Geräusch, löste sich dann aber nach und nach von der Gitterbox und
stapfte in den Raum aus dem nur noch das Hupen zu hören war, mit
leise quietschenden Reifen, als würde die Ameise vor einer Wand
feststecken. Robert und der Rest der Überlebenden schlichen am Raum
vorbei und sahen wie die Untoten immer wieder ihre Arme nach den
Reifen ausstreckten um dann Finger oder ganze Hände zu verlieren.
In der Gitterbox
fanden sie die Leiche des neuen Hausmeisters den Mike kaum gekannt
hatte, nur sehr flüchtig aber der Anblick nahm ihn trotzdem mit. Der
Gelassenste unter ihnen war der kleine Ben, der Schock musste ihn
noch fest im Griff haben.
Den Blick durch die
Garage schweifend fragte Vivian: „Und? Welcher von ihnen ist es?“
Mike drückte den
Knopf an der Fernbedienung, doch weder bei den großen Maschinen von
Landrover oder Mercedes, noch Audi oder BMW blinkten die Lämpchen.
Es war ein Fiat Panda, der sich ihnen dar bot.
„Das ist ein
Scherz, oder Mike?“
„Ich befürchte
nicht, Robert. Thomsons Frau ist Italienerin, erklärt das etwas für
sie?“
Robert schnappte
sich den Schlüssel und lief los, während Mike zum Tor sprintete.
Vivian und Ben nahmen auf den Rücksitzen Platz.
„Der riecht ja
sogar noch neu.“
„Ja, scheint
gerade erst gekauft worden zu sein.“, stimmte Vivian Ben zu.
„Hoffen wir das er vollgetankt ist.“
Den Daumen nach oben
signalisierte Mike Robert, dass er losfahren sollte. Hier unten gab
es keine Feinde und das Tor ging wie verheißen auf, nachdem er die
Sensor-Lichtschranke passiert hatte. Mike kam mit einem
Werkzeugkoffer wieder, den er in den Kofferraum warf und nahm dann
neben Robert den Beifahrersitz ein. „Man weiß ja nie.“, sagte er
und zuckte mit den Schultern.
Mit weit mehr als
den erlaubten 30 Meilen pro Stunde lenkte Robert den Wagen aus der
Stadt. Vorbei an brennenden Autos und Leichen auf der Straße. Zum
Glück lag alles so weit verstreut, dass er in großen Bögen drum
herum fahren konnte.
„Wo fahren wir
überhaupt hin? Und was zur Hölle geht hier vor?“
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