Undtot - Kapitel 5: In der Höhle des Löwen

Hey, Kleiner. Alles wird gut. Hier drin kann uns keiner etwas tun“, der übergewichtige schwarze Wachmann, komplett in eine relativ schlecht sitzende blaue Uniform gekleidet, der auf einem Drehstuhl am Schreibtisch saß sprach mit solcher Zuversicht, dass man ihm fast Glauben schenken konnte. Ben jedenfalls tat dies. Er war erst sieben Jahre alt und deswegen noch sehr leicht zu beeinflussen. Und sein Gegenüber nutzte das aus um ihrer beider Überlebenswillen zu stärken.
Mike, du brauchst mich nicht aufzumuntern. Ich habe schon mal solche Filme gesehen.“, er nestelte an seiner aufgerissenen Hose herum. „Und wenn sie doch rein kommen? Es sind doch so viele!“, er nahm seine Brille ab und drückte an dem Verband rum, der über seinem linken Auge war. Mike bewegte sich trotz seiner Fülle erstaunlich schnell und packte Ben´s Hand.
„Wie oft soll ich es dir noch sagen? Nimm die Hände weg von deinem Auge. Das kann sonst nicht heilen!“, er ließ ihn wieder los und war selbst erstaunt über seine Härte. Vielleicht lag es an ihrer fast schon ausweglosen Situation.



Sie waren in dem kleinen Büro des Chefarztes gefangen, direkt nachdem die erste Welle über das Krankenhaus eingebrochen war. Es war früh am Morgen gewesen, als Mike gerade seine letzte Runde drehte. Über den Funk hörte er die aufgeregten Stimmen seines Teams und gab Anweisungen. Doch es half nichts. Es waren einfach zu viele. Niemand wusste wo sich eine so große Gruppe hatte infizieren und versammeln können, aber es waren ausnahmslos junge Männer zwischen 14 und 25. Blass, in nerdige T-Shirts gekleidet und pickelig, aber mit einem ungeheuren Zerstörungsdrang fielen sie über die einzelnen Stationen her. Sie machten weder vor den Schwestern, noch vor der Kinderstation halt. Mike konnte nicht sehen was in den Etagen unter ihm vorging, aber er hörte über Funk wie seine Kollegen würgend kommentierten, was gerade mit den Säuglingen geschah.
Er, als dienstältester Wachmann wusste sofort, dass es unmöglich war zu seinen Kollegen nach unten zu eilen. Seine fast 12-jährige Erfahrung und die Ausbildung bei der Polizei ließen ihn direkt auf die obersten Etagen konzentrieren. Wenn er eine Chance hatte, dann nur ganz oben, wo sie am längsten brauchen würden hin zu kommen. Er hatte Glück, dass die Chefetage gerade umgebaut wurde, so war hier niemand der sich ihm in den Weg stellte, als er die Tür zum Chefarztbüro aufschloss. Nur eine einzige Sekunde zögerte er, als hinter ihm die Treppenhaustür aufgestoßen wurde. Die Zeit reichte aus um zu realisieren, dass der kleine Junge der dort auf ihn zugelaufen kam nicht schnell genug war für die Monster die hinter ihm her eilten. Mike war schon immer gut im Schießen gewesen, aber sein Dienstrevolver hatte nur sechs Schuss und es waren weitaus mehr auf dem Weg zu ihm. Er schoss zwei von ihnen ins Gesicht, sodass sie sofort umfielen und einen traf er in die Brust, was diesen aber nicht weiter störte. Zwei Kugeln verfehlten vollständig das Ziel. Die letzte Kugel war schon fast im Flug, als sich der Junge an ihm vorbei drängte und Mike blitzschnell die Tür schloss. Und dort saßen sie nun, im Büro der verlassenen 6. Etage des Kreiskrankenhauses mit einer aufgebrachten Meute vor der Tür, die sich nicht abreagieren wollte. Ständig klopften sie an die Tür, mit Füßen, Armen und ihren Köpfen. Nur eine einzige Kugel war noch im Revolver. Ben wimmerte leise ein „Mami, wo bist du?“ vor sich hin.
Seit mehr als drei Stunden war nun der Funkverkehr vollständig zum erliegen gekommen, seine Kollegen antworteten auf keine seiner Meldungen. Mike hatte sich daran gemacht eine Verbindung zum Überwachungsraum am Computer her zustellen. Die Bilder der Überwachungskameras liefen nun über den Monitor und er bekam einen Überblick über die Situation.
Das Erdgeschoss mit Information und Notaufnahme war in völliges Chaos versunken. Überall torkelten, krochen und schlurften die 'Gewandelten', wie er sie nannte. Und es mussten noch mehr geworden sein als zu Anfang. Der Überwachungsraum war verlassen, wenn er das richtig sah. Die Stühle vor den Monitoren waren verwaist und der Schrank zu den Waffen und Schlagstöcken war offen. Ein Gewandelter hatte sich selbst in dem Raum eingesperrt, als die Tür hinter ihm zugefallen war und lief nun ständig hin und her.
Er schaltete weiter die Kameras durch, bis er bei der Intensivstation angekommen war. Dort hatten sich einige wenige Pfleger im Dienstzimmer verschanzt und einen Schreibtisch vor die Tür zur Intensivstation gestellt. Die Gewandelten waren noch nicht zu ihnen vorgedrungen, denn die Tür dorthin war aus Milchglas und es war daher nicht einsehbar, dass sich dahinter jemand verbarg. Mike schnappte sich das Telefon und rief die Nummer vom Dienstzimmer der Intensivstation. Nach fünf mal klingeln wurde abgenommen und ein vorsichtiges „Hallo?“ drang durch die Ohrmuschel.
Hallo, hier ist Mike, schön, dass sich noch jemand Lebendiges hier befindet.“
„Oh, mein Gott. Mike. Ich hätte nicht gedacht, wie gut es tun würde mal deine Stimme zu hören.“, Mike erkannte den Mann am anderen Ende sofort, es war Ronnie, der neue Freund seiner Ex-Frau. Von allen Menschen die so eine Katastrophe überlebten, warum musste es ausgerechnet Ronnie sein.
Ronnie, ist bei euch alles gut? Ich sehe auf den Kameras noch keine Gewandelten bei euch.“
Gewandelte?“, stammelte Ronnie, „Eine merkwürdige Beschreibung für diese Freaks. Wo kommen die her?“
Ich habe keine Ahnung.“, Mike studierte die Kameras und versuchte sich ein Bild der Situation zu machen. „Wenn ich das richtig sehe seid ihr zu fünft, oder?“
Ja, außer Liz sind noch drei Kollegen von der Nachtschicht da.“
Mike dachte an Liz, seine Ex. Sie hatten sich schon vor mehr als fünf Jahren getrennt, aber seither hatte er keine neue Frau gefunden welche diese Lücke ersetzen konnte.
Geht es ihr gut?“
Nun ja, als es hier los ging war sie gerade draußen auf dem Flur und hat sich einen Kaffee geholt. So ein Mistvieh hat sie am Arm erwischt, aber es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Wir haben die Wunde gereinigt, aber sie hat Fieber und wir haben sie erst einmal auf eine der Liegen gelegt, damit sie schlafen kann. Johanna aus der Nachtschicht kümmert sich um sie.
Ronnie, du weißt wir sind nicht die besten Freunde und werden es auch niemals werden, aber passt da unten auf.“
Wo bist du denn?“, ein vorwurfsvoller Unterton lag in seiner Stimme.
Ich bin ganz oben, war gerade auf Kontrollgang, als es losging. Ich hab einen kleinen Jungen dabei.“, er seufzte kurz. „Es sind ca. acht Gewandelte direkt vor unserer Tür, deswegen kann ich nicht zu euch kommen. Aber ich kann über die Überwachungskameras sehen was vor sich geht und euch auf dem laufenden halten. Sobald sich etwas tut, melde ich mich. Ich muss erst einmal nachdenken. Ende.“, sagte er und legte auf.
Liz war verletzt, dass änderte alles. Irgendwie musste er runter und ihnen helfen.

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