Undtot - Kapitel 4: Wie ein Tier im Zoo

Als Vivian wieder wach wurde, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Vom Sheriff oder seinen Männern fehlte jede Spur. Sie stand auf und vertrat sich ein wenig die Beine. In der kleinen Schüssel am Boden klebten einige Essensreste, denen sie sich nicht hingeben wollte, auch wenn ihr Magen noch so sehr knurrte. Auch das Wasser aus der Plastikflasche war nicht mehr das frischeste, aber das war ihr egal. Sie leerte die halbe Flasche in einem Zug und ließ einen leisen Rülpser hören. Den Rest kippte sie sich über den Kopf und ins Gesicht. Sichtlich erfrischt stieg sie aufs Bett um aus dem kleinen Fenster an der Rückwand der Zelle zu schauen. Die Straßen waren leer, was ihr äußerst merkwürdig vorkam, schließlich war heute Sonntag Abend. Und wenn Exeter sonst nichts zu bieten hatte, dann doch wenigstens trinkfreudige junge Leute, die jeden Samstag nutzten um im Pub die Sau raus zu lassen. Sie konnte zwar die Eingangstür zum Pub von hier aus nicht sehen, aber die hinteren Fenster waren nur schwach beleuchtet. Dort standen eigentlich die Billardtische, und die Lampen über den Tischen hätten eigentlich viel heller sein sollen. Das Licht wirkte auch seltsam flackernd, fast wie in einem Kamin. Sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie realisierte, dass es ein Feuer war das dort brannte.
Scheiße! FEUER!“, schrie sie und drehte sich um.
Sheriff, der Pub brennt.“ 

 
Ein einzelnes Auto raste an ihrem Fenster vorbei, mit weit mehr als den erlaubten 35 Meilen pro Stunde. Sie schaute dem kleinen Toyota hinterher wie er mit quietschenden Reifen um die Ecke bog und verschwand.
Dann zerfetzten Schreie die Stille und von überall liefen Menschen durch die Straßen. Ob jung oder alt, alle rannten was die Beine her gaben. Vor was sie flüchteten konnte Vivian nicht sehen, nur das einige in den hinteren Reihen voll mit Blut waren.
Hilfe, Hilfe!“, schrie sie den Leuten entgegen, aber diese kümmerten sich nicht eine Sekunde um sie.
Verdammte Scheiße nochmal.“, fluchte sie vor sich hin, als sie plötzlich Jerry sah. Ihr kleiner Cousin lief dicht an ihrem Fenster vorbei und er war wesentlich schneller als der Rest der Meute, denn Jerry war der Star des Football-Teams und zum Laufen wie von Gott nur dafür geschaffen. Seine Intelligenz hielt sich in Grenzen, aber darauf kam es beim Sport ja sowieso nicht an.
Jerry, komm zurück!“
Er stoppte im Laufen und schaute sie an. Rote Flüssigkeit tropfte ihm aus dem Mund und besudelte sein weißes Hemd.
Oh, Fuck. Jerry, ich hab es mir anders überlegt. Sie zu das du Land gewinnst!“, sie sprang vom Fenster weg und damit aus der Reichweite seiner Arme. Jerry war auf einen Bretterstapel direkt unter dem Fenster gestiegen und fuchtelte mit den Armen durchs Fenster. Vivian drückte sich an die gegenüberliegende Seite der Zelle und stieß dabei die Schüssel um.
Hinter ihr stieß jemand die Tür auf, aber mit der Dämmerung im Nacken konnte sie die Person nicht erkennen, doch sein verräterisches Alt-Männer-Parfüm verriet den Sheriff.
Noch nie war ich so froh sie zu sehen.“
Sheriff Bowler schwankte beim Gehen und fiel vor ihr auf den Boden. Über seinen nackten rechten Arm zogen sich diverse Bissspuren und ihm fehlte sein linkes Ohr.
Das ist jetzt nicht ihr Ernst, oder?“, Vivian versuchte durch die Gitterstäbe hindurch seinen gesunden Arm zu fassen zu bekommen. Bowler krümmte sich vor Schmerzen aber versuchte trotzdem mit seinem zerbissenen Arm die Schlüssel für die Zelle aus seiner Hosentasche zu fischen. Es bereitete ihm sichtlich Mühe, aber er hatte es fast geschafft als die Tür aufgestoßen wurde. Jerry stand auf der Schwelle und schnüffelte in den Raum hinein. Er zog eine Blutspur hinter sich her, die aber nicht sein eigenes beinhaltete. Mit ruhigen festen Schritten ging er auf Vivian zu. Als er am Sheriff vorbeiging trat er versehentlich auf dessen Hand, wodurch dieser schmerzerfüllt aufkeuchte. Der riesige Footballspieler beugte sich hinab und hob Bowler´s Kopf an. Wimmern erfüllte den Raum, dass innerhalb von Sekunden zu einem Gurgeln und Röcheln wurde. Jerry biss ihm fast die gesamte Kehle durch und ließ ihn dann fallen. Er drehte sich zu Vivian um und trat an die Gitterstäbe. Vor Schock war sie erstarrt, aber dennoch so umsichtig sich ein paar Schritte zu entfernen. Jerry war nicht mehr so ungestüm wie vor wenigen Minuten draußen am Fenster. Fast einem Tier gleich studierte er seine Beute innerhalb des Käfigs. Geifer tropfte aus seinem Mund und mit einem Ruck sprang er an die Gitterstäbe und versuchte seinen Kopf hindurch zu schieben. Vivian war noch nie so froh auf dieser Seite der Zelle zu sein.
Hör auf Jerry, du machst mir Angst.“, flehte sie ihn an. Aber jedes Wort von ihr machte ihn nur noch wilder.
Weinend sank sie auf der Liege zusammen, während Jerry immer mal wieder an einer anderen Stelle versuchte die Gitterstäbe zu überwinden.

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