Als Vivian wieder
wach wurde, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Vom Sheriff oder
seinen Männern fehlte jede Spur. Sie stand auf und vertrat sich ein
wenig die Beine. In der kleinen Schüssel am Boden klebten einige
Essensreste, denen sie sich nicht hingeben wollte, auch wenn ihr
Magen noch so sehr knurrte. Auch das Wasser aus der Plastikflasche
war nicht mehr das frischeste, aber das war ihr egal. Sie leerte die
halbe Flasche in einem Zug und ließ einen leisen Rülpser hören.
Den Rest kippte sie sich über den Kopf und ins Gesicht. Sichtlich
erfrischt stieg sie aufs Bett um aus dem kleinen Fenster an der
Rückwand der Zelle zu schauen. Die Straßen waren leer, was ihr
äußerst merkwürdig vorkam, schließlich war heute Sonntag Abend.
Und wenn Exeter sonst nichts zu bieten hatte, dann doch wenigstens
trinkfreudige junge Leute, die jeden Samstag nutzten um im Pub die
Sau raus zu lassen. Sie konnte zwar die Eingangstür zum Pub von hier
aus nicht sehen, aber die hinteren Fenster waren nur schwach
beleuchtet. Dort standen eigentlich die Billardtische, und die Lampen
über den Tischen hätten eigentlich viel heller sein sollen. Das
Licht wirkte auch seltsam flackernd, fast wie in einem Kamin. Sie
brauchte ein paar Sekunden, bis sie realisierte, dass es ein Feuer
war das dort brannte.
„Scheiße!
FEUER!“, schrie sie und drehte sich um.
Ein einzelnes Auto
raste an ihrem Fenster vorbei, mit weit mehr als den erlaubten 35
Meilen pro Stunde. Sie schaute dem kleinen Toyota hinterher wie er
mit quietschenden Reifen um die Ecke bog und verschwand.
Dann zerfetzten
Schreie die Stille und von überall liefen Menschen durch die
Straßen. Ob jung oder alt, alle rannten was die Beine her gaben. Vor
was sie flüchteten konnte Vivian nicht sehen, nur das einige in den
hinteren Reihen voll mit Blut waren.
„Hilfe, Hilfe!“,
schrie sie den Leuten entgegen, aber diese kümmerten sich nicht eine
Sekunde um sie.
„Verdammte Scheiße
nochmal.“, fluchte sie vor sich hin, als sie plötzlich Jerry sah.
Ihr kleiner Cousin lief dicht an ihrem Fenster vorbei und er war
wesentlich schneller als der Rest der Meute, denn Jerry war der Star
des Football-Teams und zum Laufen wie von Gott nur dafür geschaffen.
Seine Intelligenz hielt sich in Grenzen, aber darauf kam es beim
Sport ja sowieso nicht an.
„Jerry, komm
zurück!“
Er stoppte im Laufen
und schaute sie an. Rote Flüssigkeit tropfte ihm aus dem Mund und
besudelte sein weißes Hemd.
„Oh, Fuck. Jerry,
ich hab es mir anders überlegt. Sie zu das du Land gewinnst!“, sie
sprang vom Fenster weg und damit aus der Reichweite seiner Arme.
Jerry war auf einen Bretterstapel direkt unter dem Fenster gestiegen
und fuchtelte mit den Armen durchs Fenster. Vivian drückte sich an
die gegenüberliegende Seite der Zelle und stieß dabei die Schüssel
um.
Hinter ihr stieß
jemand die Tür auf, aber mit der Dämmerung im Nacken konnte sie die
Person nicht erkennen, doch sein verräterisches Alt-Männer-Parfüm
verriet den Sheriff.
„Noch nie war ich
so froh sie zu sehen.“
Sheriff Bowler
schwankte beim Gehen und fiel vor ihr auf den Boden. Über seinen
nackten rechten Arm zogen sich diverse Bissspuren und ihm fehlte sein
linkes Ohr.
„Das ist jetzt
nicht ihr Ernst, oder?“, Vivian versuchte durch die Gitterstäbe
hindurch seinen gesunden Arm zu fassen zu bekommen. Bowler krümmte
sich vor Schmerzen aber versuchte trotzdem mit seinem zerbissenen Arm
die Schlüssel für die Zelle aus seiner Hosentasche zu fischen. Es
bereitete ihm sichtlich Mühe, aber er hatte es fast geschafft als
die Tür aufgestoßen wurde. Jerry stand auf der Schwelle und
schnüffelte in den Raum hinein. Er zog eine Blutspur hinter sich
her, die aber nicht sein eigenes beinhaltete. Mit ruhigen festen
Schritten ging er auf Vivian zu. Als er am Sheriff vorbeiging trat er
versehentlich auf dessen Hand, wodurch dieser schmerzerfüllt
aufkeuchte. Der riesige Footballspieler beugte sich hinab und hob
Bowler´s Kopf an. Wimmern erfüllte den Raum, dass innerhalb von
Sekunden zu einem Gurgeln und Röcheln wurde. Jerry biss ihm fast die
gesamte Kehle durch und ließ ihn dann fallen. Er drehte sich zu
Vivian um und trat an die Gitterstäbe. Vor Schock war sie erstarrt,
aber dennoch so umsichtig sich ein paar Schritte zu entfernen. Jerry
war nicht mehr so ungestüm wie vor wenigen Minuten draußen am
Fenster. Fast einem Tier gleich studierte er seine Beute innerhalb
des Käfigs. Geifer tropfte aus seinem Mund und mit einem Ruck sprang
er an die Gitterstäbe und versuchte seinen Kopf hindurch zu
schieben. Vivian war noch nie so froh auf dieser Seite der Zelle zu
sein.
„Hör auf Jerry,
du machst mir Angst.“, flehte sie ihn an. Aber jedes Wort von ihr
machte ihn nur noch wilder.
Weinend sank sie auf
der Liege zusammen, während Jerry immer mal wieder an einer anderen
Stelle versuchte die Gitterstäbe zu überwinden.
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