Undtot - Kapitel 3: Für den kleinen Hunger

Mrs. Millers Kopf zerplatzte förmlich beim Aufprall des Feuerlöschers, aber er machte sich keine Gedanken darum, denn Sam hatte seinen Kopf schon fast durch das kleine Zwischenfenster gedrückt und kam ihm verflucht nahe.
Robert schnallte sich ab und landete unsanft auf den Beinen von Mrs. Miller. Laut knackten ihre Beine als er mehrere Knochen durchbrach, er selbst blieb unverletzt. Bis auf einige blaue Flecken ging es ihm gut. Von draußen drang noch immer ein klopfendes Geräusch zu ihm und am Fenster zeichnete sich ein roter Kreis ab, wo anscheinend immer wieder ein Kopf an das Fenster schlug. 


Er stieg über Mrs. Miller hinweg und drückte die Tür am Heck auf. Sie war verzogen, weshalb nur eine der beiden Türen zu öffnen war. Als er endlich nach draußen geschoben hatte, drehte sich die Person an der Seitentür zu ihm um. Es war eine Frau mittleren Alters, blond, hohe Schuhe, in einem billigen Kaufhauskostüm. Eigentlich totaler Durchschnitt, wenn nicht die Sache mit ihren Armen gewesen wäre. Von zwei Armen konnte man allerdings nicht mehr sprechen, denn es waren an beiden Seiten nur noch kurze Armstummel zu erkennen, was wahrscheinlich auch der Grund war, weshalb sie immer wieder mit dem Kopf statt der Arme gegen die Scheibe geschlagen hatte. Langsam schlurfte sie auf ihn zu und riss den Mund weit auf. Blut tropfte ihr aus dem Mund auf das Kostüm.
Robert suchte verzweifelt in seiner nahen Umgebung nach etwas, mit dem er sie auf Abstand halten konnte, denn auf Zurufe reagiert sie genauso wenig wie Mrs. Miller.
Er fand nichts weiter als den Feuerlöscher. Diesmal jedoch aktivierte er ihn so, wie er gedacht war und drückte ihr eine volle Ladung Schaum ins Gesicht. Die Frau reagierte leicht verwirrt, setzte aber ihren Weg fort, weswegen Robert zu der altbekannten Methode zurückgreifen musste. Er ließ den Feuerlöscher über seinem Kopf kreisen und landete dann einen perfekten Hieb auf ihrer linken Wange. Knochen knackten, der Kopf sackte auf die rechte Schulter und sie fiel sofort um. Robert setzte sich erschöpft auf einen Stein und sah sich in der Umgebung um.
Zuerst hörte er nichts, was er für ein gutes Zeichen hielt, denn dann war niemand in der Nähe. Dann realisierte er, dass es eher beunruhigend war. Keine Geräusche bedeuteten auch, dass keine Autos fuhren, also würde keine Hilfe vorbeikommen. Er griff an seine Hosentasche und suchte sein Handy. Das Uraltgerät war so robust, dass es selbst so eine Strapaze unbeschadet überstand, zu seinem Leidwesen hatte er aber keinen Empfang. Auch der Trick einfach die Sim-Karte heraus zu nehmen und dann zu versuchen über den Notruf nach Hilfe zu telefonieren scheiterte. Langsam machte sich Verzweiflung in ihm breit.
Eine gute Stunde blieb er dort im Schatten sitzen, bis er fand das er klar genug im Kopf war sich auf den Weg zu machen. Wohin wusste er noch nicht und ein kurzer Blick auf Sam genügte, dass der ihm wohl keinen Rat geben konnte, aber alles war wohl besser als die karge Landschaft die ihn gerade umgab.
Robert brauchte fast eine halbe Stunde für den Aufstieg zurück zur Straße. Als er oben ankam sah er erst das Ausmaß ihres Unfalls. Sie hatten eine tiefe Schneise in den Wald gerissen und anscheinend sogar ein weiteres Auto den Hügel runter gerammt. Es war ein Cabrio, in welchem wohl die Frau ohne Arme gesessen hatte. Um die brauchte er sich ja keine Sorgen mehr machen.

So langsam wurde es drückend heiß, bald würde er etwas zu trinken brauchen, damit er nicht dehydrierte. Er überlegte in welche Richtung er aufbrechen sollte. Das letzte Dorf auf der gefahrenen Strecke lag mindestens 5 Meilen zurück. Wie viel es bis zum nächsten Dorf in der anderen Richtung war, konnte er nicht einmal grob schätzen. Er entschied sich dennoch für die Flucht nach vorn.

Zwei Kurven weiter lag ein Bus auf der Seite. Vorsichtig schlich er sich an den Bus ran, in der Hoffnung etwas zu trinken zu finden. Seine Freude wurde jedoch gedämpft, als er ächzende und stöhnende Geräusche im Businneren vernahm. Seinen Feuerlöscher hatte er beim Transporter gelassen, deshalb fühlte er sich total unwohl als er völlig unbewaffnet neben dem Bus stand. Dieser hätte ja voll mit Menschen sein können, zu Roberts Überraschung entdeckte er aber nur einen eingeklemmten Busfahrer als er vorsichtig um die Ecke linste. Glücklicherweise war der Busfahrer auch keiner von denen.
Können sie mich hören?“, rief Robert durch die Frontscheibe, doch der Busfahrer ächzte nur. Ein schmaler Riss hatte sich bei dem Unfall, wenn es denn einer war, gebildet. Robert hatte jedoch nichts womit er denn Riss erweitern konnte und die Scheibe war gegen seine Tritte so gut wie unempfindlich.
Robert kletterte am Reifen hoch und versuchte die Tür aufzudrücken, doch es war ein alter Bus, einen von denen die so einen riesigen Hebel hatten, mit dem die Tür aufgemacht wurde. Er schaute am Bus entlang um zu sehen, welches Fenster sich zum einschlagen eignen würde, als er sie sah. Sie war ein kleines Mädchen von vielleicht 10 Jahren, die wohl im hintersten Teil des Busses gesessen hatte. Sie trug ein geblümtes Kleid, Sandalen und hatte geflochtenes pechschwarzes Haar. Und sie schaute Robert direkt an. Nicht mit einem nach Hilfe suchenden Blick, sondern eher als hätte sie ihn zum fressen gern. Als der Busfahrer ein weiteres Mal stöhnte drehte sie ihren Kopf ruckartig herum und schaute sich wie ein Raubtier um. Robert blickte verzweifelt zu dem Mann. Tief in seinem Inneren wusste er schon, dass er ihm nicht würde helfen können, dennoch fing er an wie wild mit seinen Fäusten auf die Scheiben einzuschlagen. Das Mädchen stand auf und schaute noch einmal nach oben, ließ sich jedoch nicht von ihm ablenken, dann ging sie zielstrebig mit ausgestreckten Armen auf den Busfahrer zu.
Verzweiflung lag im Blick des Mannes und er versuchte sich irgendwie zu befreien, aber sein Oberkörper war unter dem Lenkrad eingeklemmt und sein Fuß merkwürdig verdreht.
Das Mädchen beugte sich zu ihm runter und Robert hatte das Gefühl sie würde einen kurzen Moment an ihm riechen, dann bleckte sie die Zähne und grub sie langsam und genießerisch in seinen Hals. Robert wollte wegsehen, aber als sie dem Busfahrer das erste Stück Fleisch aus dem Hals riss schrie er mit seiner allerletzten Kraft. Robert trieb es die Tränen in die Augen als er den Blick des Busfahrers einfing, der ihn mit vor Schrecken aufgerissenen Augen ansah. Immer wieder biss sie zu und nach ein paar Sekunden erlosch der Blick des Mannes völlig.
Wut stieg in ihm auf. Wut darüber was diese Monster anrichteten. Wut darüber, dass er so hilflos war. Wild schlug er auf das Fenster ein, bis ein Knacken ihn zur Vernunft kommen ließ. Ein Sturz in den Bus war das letzte was er wollte, daher kroch er langsam rückwärts in Sicherheit der Verkleidung. Das Mädchen hatte ihr Festmahl fast beendet, zumindest wurde sie langsamer. Sie erbrach einen Haufen Blut über den übrigen Torso und ließ dann von ihm ab. Ihr Kleid war in sattes Rot getaucht und sie hatte eine Sandale verloren. Fast wirkte sie wie ein ganz normales Mädchen, dass sich beim Essen schmutzig gemacht hatte. Ruhelos drehte sie ihren Kopf hin und her, als ein weiteres Knacken ihre Aufmerksamkeit einfing. Ihr Sättigungsgefühl währte wohl nicht lang, denn sofort machte sie sich auf den Weg zu Robert. Dieser sprang sofort vom Bus runter und lief los, wohin war ihm egal, Hauptsache weit weg von diesem kleinen Monster. Er blickte sich noch einmal um und sah wie sie versuchte mit ihren kleinen Fingern den Spalt in der Frontscheibe zu erweitern. Schnell lief er weiter, so weit ihn seine Füße trugen.
Als die Dämmerung einsetzte sah er in der Ferne eine kleine Stadt. Er hoffte inständig, dass sich dort noch richtige Menschen befanden. Um kein unnötiges Risiko einzugehen und im Dunkeln womöglich auf eine ganze Horde von ihnen zu treffen, mobilisierte er seine letzten Kräfte und bestieg einen Baum am Straßenrand. Mit seinem Gürtel band er sein Bein an einen Ast, damit er nicht im Schlaf runter fiel.

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