Ein
paar Wochen zuvor.
Der
Himmel war wolkenverhangen über Rom an diesem Tag. Und er passte
hervorragend zu der Stimmung von Bischof DiMarco. Der Bischof war ein
eher kleiner Mann mit lichtem Haar welches schon sehr ergraut war
und er trug seinen Mantel bis ganz oben zugeknöpft. DiMarco war
nicht gern der Überbringer schlechter Nachrichten aber es war nun
einmal seine Aufgabe als Leiter der Gemeinschaft für die Erhaltung
des Mythos – des Mythos von Christi Auferstehung. Er arbeitete nun
schon so lange für die GEM, doch nun stand alles vor dem Aus. Seit
mehr als 475 Jahren kümmerte sich die Gemeinschaft nun um die
Aufrechterhaltung, in letzter Zeit mit fortschreitender Technik
jedoch wurde die Arbeit zusehends erschwert. Die Menschen vertrauten
der Kirche nicht mehr uneingeschränkt, vieles versuchten sie durch
die Wissenschaft zu widerlegen. Eine der letzten Bollwerke war in
diesem Fall das Turiner Grabtuch. Zuvor schon sehr oft untersucht
worden, gab es in jüngster Vergangenheit zuhauf die
Verschwörungstheoretiker, die behaupteten, bei der Vergabe der Probe
zur Kohlenstoffdatierung hatten die Mitarbeiter absichtlich die
Proben vertauscht um die Kirche in ein schlechtes Licht zu rücken.
Vor zwei Wochen schalteten sich dann mehrere Kardinäle in die
Diskussion ein. Mächtige Kardinäle, die einen großen Einfluss auf
den Papst ausübten. Eine erneute Kohlenstoffdatierung im
Live-Fernsehen sollte endlich die absolute Klarheit bringen. Und
genau dies war die Tragödie, die Bischof DiMarco verhindern musste.
Aber
wie konnte er Kardinal Beinert nur erklären, dass es wirklich eine
Verschwörung gegeben hatte und seine Organisation selbst damit zu
tun hatte. Beinert, der eher wie ein typischer fülliger Politiker à
la Kohl, mit lichtem Haar und Brille, aussah und sich zuweilen auch
oft so verhielt war einer der engsten Vertrauten des Papstes. Manche
sahen in ihm schon den nächsten Anwärter für das höchste Amt der
Kirche, denn der Papst litt an Krebs und hatte wahrscheinlich nicht
mehr allzu lang zu leben. Das wussten allerdings nur die wenigsten.
26
Jahre war es nun her seit die Proben für die Kohlenstoffdatierung
entnommen worden waren. Proben eines falschen Tuches, welches die GEM
in Auftrag gegeben hatte. Das echte Tuch war immer noch sicher im
Vatikan. Und dort musste es unter allen Umständen bleiben.
„Bischof
DiMarco, Sie wollten mich dringend sprechen. Also um was geht es? Wir
haben morgen einen wichtigen Pressetermin mit dem Papst. Und warum
konnten wir uns nicht im Vatikan treffen? Eine einfache Kirche Roms
scheint mir zu so später Stunde nicht sehr vertrauenerweckend.“,
redete Kardinal Beinert schnell auf DiMarco ein. Sie gingen gemeinsam
den Mittelgang der Kirche entlang. Beinert mit ausgestreckter Brust,
DiMarco eher eingeknickt und ein wenig zerstreut wirkend.
„Kardinal
Beinert, ich würde Sie nicht belästigen, wenn es nicht überaus
wichtig wäre. Und wir können nicht im Vatikan sprechen. Die Wände
dort,.. na ja, Sie wissen schon.“
„Bischof,
ich habe nicht die ganze Nacht Zeit.“
„Kardinal,
es geht um das Tuch. Ich meine das ECHTE Tuch.“
„Wie
meinen Sie das? Das ECHTE?“ Beinert drehte sich erschrocken um.
„Nun
ja, die Aufgaben meiner Organisation sollten Ihnen ein Begriff sein.
Seit jeher schützen wir die 'Wahrheiten' der Kirche, die eigentlich
keine Wahrheiten sind.“ Beinert schluckte, als DiMarco weiter
sprach.
„Kardinal,
das Tuch ist nur eines der Dinge, über die wir in der nächsten Zeit
einmal sprechen sollten. Ein paar Gemälde und diverser Krempel, aber
das hat Zeit.“
„Sie
wollen mir allen ernstes erklären das Turiner Grabtuch wäre ein
Schwindel?“ Bestürzt setzte sich Kardinal Beinert auf die
vorderste Bank der Kirche.
„Nein,
genau das ist ja das Problem. Ob das original Turiner Grabtuch eine
Fälschung ist können wir gar nicht sagen.“
Beinert
schaute ihn verwirrt an.
„Aber
es gab doch die Kohlenstoffdatierung, das war im Jahr 1988, richtig?“
Beinert schaute ihn fragend an.
„Ja,
die gab es. Das, Herr Kardinal, war die Fälschung. Das Original ist
immer noch sicher im Vatikan.“, auch DiMarco setzte sich nun, was
er als nächstes sagen müsste würde am schwierigsten sein. Die
Zukunft seiner ganzen Organisation stand auf dem Spiel.
„Aber
dann sind wir doch fein raus. Wir nehmen einfach morgen das echte.
Wie sie damals die Fälschung ins Spiel gebracht haben, können sie
mir dann bei Gelegenheit erklären.“, er stand auf, sichtlich
zufrieden. „Sind wir dann fertig?“, er drehte sich zum Ausgang
und setzte einen Fuss vor der anderen.
„Herr
Kardinal, fragen Sie sich denn gar nicht, warum wir es austauschen
mussten?“ DiMarco senkte den Blick als er zur Erklärung ausholte.
Beinert kam zurück und setzte sich wieder, er spürte, dass es
DiMarco nicht leicht fiel über dieses Thema zu sprechen, das war
sonst nicht seine Art.
„Die
Kirche hat die Wissenschaft schon immer verpönt. Gemeinschaften wie
die meine dagegen haben auch einmal versucht den Nutzen darin zu
finden. Oft haben wir damit den Standpunkt der Kirche sogar
verteidigt. Mitunter gab es auch kritische Ergebnisse, ab und an auch
erschreckende. Das Turiner Grabtuch ist so ein Fall.“
Kardinal
Beinert lehnte sich zurück.
„Bischof
DiMarco, kommen Sie auf den Punkt. Was haben sie gefunden?“
„Wir
fanden Viren, uralte Viren. Solche die unter bestimmten Umständen
quasi schlafen, was sie seit Jahrhunderten im Grabtuch tun. Aber was
es für welche waren konnte uns keiner sagen, so etwas hatte noch nie
jemand gesehen. Wir extrahierten einige wenige und unternahmen
Tests.“ DiMarco schluckte ein paar Mal, ehe er erneut ansetzte.
„Zuerst
natürlich bei Tieren – Mäusen, Ratten, Katzen, etc. Als dies
alles nicht funktionierte, meldete sich einer meiner Schützlinge
freiwillig. Benny, Gott habe ihn selig.“
Kardinal
Beinert war erstarrt. Er richtete den Blick auf die Jesusfigur an der
Wand und murmelte ein Ave Maria.
„Zuerst
ging es Benny nur schlecht. Er bekam Fieber, viel immer wieder in
Trance. Zum Schluss ging es immer weiter bergab. Wir setzten dem ein
Ende.“
„Sie
haben ihn getötet?“, der Kardinal wirkte erschüttert.
„Kardinal,
tun Sie nicht so, als wäre die Kirche über so ein Vorhaben
entsetzt. Wir töteten im Namen der Kirche und der Wissenschaft. Es
gab schon schlimmere Verbrechen.“
„Was
war so schlimm an den Viren? Haben sie Benny daraufhin untersucht?“
DiMarco
hielt einen Moment inne, holte tief Luft und ließ die Bombe platzen.
„Benny
war danach nicht tot.“
Beinert
blickte ihn fassungslos an.
„Es
war ein Donnerstag Morgen, an dem wir dem Experiment ein Ende setzen
mussten, denn Benny fing an nach uns zu 'schnappen', als hätte er
wahnsinnigen Hunger. Eine geweihte Silberkugel ins Herz sollte ihn
töten, doch das tat sie nicht.“ DiMarco legte eine kurze Pause ein
um sich der Aufmerksamkeit Beinerts sicher zu sein.
„Es
machte ihn nur noch rasender. Nach drei Tagen voller Versuche ihn zu
töten, war es einer der Schweizer Gardisten, der ihm mit seinem
Schwert den Kopf abtrennte.“
„Wollen
sie mir sagen, dass er.. nicht zu töten war?“
„Ja,
das will ich damit sagen. Mit normalen Mitteln war es unmöglich. Er
ist sozusagen immer wieder von den Toten auferstanden.“
In
diesem Moment machte es beim Kardinal Klick.
„Wenn
dies alles wahr und dieses Virus wirklich so alt ist, gebe es eine
Möglichkeit, dass auch Jesus von dieser 'Krankheit' befallen war?“
„Wir
können es nicht bestätigen, aber auch nicht widerlegen... Leider.“
In
Beinerts Kopf schossen die Möglichkeiten hin und her.
„Aber
das ist doch nicht schlimm. Wenn Sie wieder das falsche
untersuchen...“
„Genau
da ist der Haken. Die Fälschung ist vor mehr als fünf Jahren bei
einer Ausbesserung kaputt gegangen, wir mussten zwischenzeitlich das
Original herausholen. Nur war jemand zu eilig damit die
Vorbereitungen für die erneute Untersuchung voran zu treiben und wir
konnten es bisher nicht austauschen.“
„Das
setzt alles in ein ganz anderes Licht. Wir müssen morgen auf jeden
Fall die Untersuchung verhindern. Der Papst muss noch heute Nacht
davon erfahren.“
Nun
setzte sich DiMarco. Er holte sein goldenes Kreuz unter der Kutte
hervor, fing an es zu küssen und einige Vater Unser zu beten.
„Kommen
sie DiMarco, wir müssen uns beeilen.“
Die
beiden Geistlichen waren so in Gedanken versunken, dass sie den
Eindringling hinter ihnen im Schatten nicht sahen. Hinter der Säule
wartete eine dunkel gekleidete Gestalt. Eigentlich wollte er warten
bis die beiden die Kirche verlassen hatten, aber nachdem er in die
Kirche eingestiegen war und gesehen hatte, dass hier keine
Wertgegenstände waren und er nicht leer ausgehen wollte, war er froh
als er das Kreuz von dem Geistlichen mit dem schwarzen Mantel sah.
Dieses Kreuz war bestimmt aus Gold und würde somit ein bisschen Geld
für die nächsten Tage einbringen. Er wartete bis die beiden wieder
durch den Mittelgang auf den Ausgang zu marschierten. Er nahm sein
Klappmesser aus der Jackentasche und stach mehrmals schnell
hintereinander dem größeren der beiden von hinten in die Nieren.
Der kleinere versuchte weg zu laufen aber noch bevor er die Tür
erreicht hatte, zog ihm der Mann in schwarz sein Messer über die
Kehle und nahm ihm das Kreuz ab.
Er
lief mit dem Kreuz hinaus in die Nacht, ließ die Tür offen stehen
und würde wohl niemals erfahren, dass er dafür gesorgt hatte, dass
die Menschheit kurz vor ihrem Ende stand.
..Gleich
zwei wichtige Mitteilungen gibt es heute aus Rom zu verkünden. Die
traurige zuerst: Gestern wurden zwei Geistliche in einem Vorort von
Rom bei einem Raubüberfall niedergestochen. Beide verstarben noch
vor Ort. Es handelte sich bei beiden um engste Vertraute des Papstes
und ihr Tod überschattet die heutigen Untersuchungen am Turiner
Grabtuch...
Und
nun zur zweiten Nachricht aus Rom: Soeben haben die führenden
Wissenschaftler des Landes Proben des Turiner Grabtuchs entnommen und
werden sie an ausgewählte Labore in Frankreich, Amerika und Japan
verschicken. Wir können gespannt sein, was uns in den nächsten
Tagen für bahnbrechende Erkenntnisse ereilen werden.
Weiter
zum Sport...
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